Sonntag, 22. März 2009

Depressionen...

Nein, nein – keine Sorge, mir geht es gut!
Aber trotzdem möchte ich einmal aus aktuellem Anlass (betrifft eine Freundin) dieses Thema aufgreifen.

Eingangs, als ich diesen Blog eröffnet und Euch minimalistisch gezeigt habe, was ich so mache, war da auch der Entwurf des Bildes „Depression“ dabei (Im Januar-Blog).

Ich hoffe, das betrifft Euch alle nicht – obwohl ich weiß, daß einige sehr wohl unter dieser Erkrankung leiden.

Aber wie das so ist – so ein „Psych“-Kram wird dezent unter den Teppich gekehrt und man gibt sich lächelnd und völlig „normal“.

Na ja – man ist ja auch „normal“.
Aber man geniert sich.

In USA gehört es zum guten Ton, seinen gemieteten Freund (Psychiater / „rent a friend“) zu haben. In Deutschland ist das noch immer etwas sehr suspekt… von wegen „Macke“, „Knall“ oder so.

Na gut, dann habe ich eben ne Mackeo der auch nen Knall –na und?
Andere haben das auch, vermarkten das aber und verdienen richtig Geld damit.

Meine Macke ist unspektakulär und betrifft nur mich und mein Leben.

Ich hab es mir nicht ausgesucht, meine Macke ist biochemisch nachweisbar und ich hätte mir auch alternativ ein Bein brechen können.

Nur – der Beinbruch ist gesellschaftlich akzeptiert, meine Chemo-Macke im Hirn nicht.
Noch nicht.

Aber ich geniere mich nicht.
Im Gegenteil – ich bin fassungslos, wieviel Unwissen auch selbst bei den Medizinern herrscht…. und wie allein und hilflos man dann dasteht und die Welt plötzlich nicht mehr versteht.

Kennt Ihr das? Das Leben, in dem Ihr doch aktiv beteiligt seid, zieht an Euch vorbei wie ein Film – aber eher wie ein Stummfilm.

Gefühle? Ne, geht nicht mehr, ist alles ausgetrocknet.

Leben – Bewegung – Empfindungen – geht auch nicht mehr.
Am liebsten still irgendwo im Eckchen sitzen und abwarten – was auch oder worauf auch immer. Hauptsache, nicht bewegen.

Nur der Kopf arbeitet… und wehrt sich….

Und dann gehste zum Frauenarzt von wegen der Antriebsschwäche, und der verschreibt Dir Hormonpflästerchen, einfach auf den Bauch oder sonst wo hin zu kleben, denn das ist ja völlig normal, verlangsamt zu sein, wenn denn die Menopause eingetreten ist…

Na ja, eine Woche hilft es – es lebe der Placebo-Effekt - aber der hält halt nicht an.

Und dann geht es weiter, wie gehabt. Und man geniert sich, weil, man ist ja wohl nicht mehr normal und muß sich doch eigentlich nur zusammenreißen, aber das klappt auch nicht so recht – man funktioniert, ja – aber mehr auch nicht.

Nun, man funktioniert auch nicht mehr so, wie gewohnt, braucht länger selbst für Dinge, die man vorher „mit links“ erledigt hat. Aber der erlernte Trott hält einen in der Spur.

Und wenn die Hormonpflasterchen nicht helfen, dann vielleicht doch der Heilpraktiker? Also alternativ Globuli schlucken und Kaffeeverbot.
Hilft auch nicht.

Also einfach mal endlich was für’s Ego tun! Wellness für die Seele! Klar doch!

Hirn überlegt – was täte nun mal gut?
Urlaub? Ne, nicht wirklich. Schön, aber schon erfolglos probiert. Zu schnell hat einen der berufliche Alltag wieder eingeholt. "Abschalten" geht auch nicht wirklich...

Hirn besinnt sich zurück – und entdeckt ein uraltes alter Ego – die Sehnsucht nach Farben, Ateliergerüchen, Matschen mit Ton, Fotografieren, Spielen mit Stoffen und Garnen – ach, einfach mal wieder kreativ „die Sau raus lassen“.

Hirn analysiert, daß die bunte, spielerische Kreativität kompensiert wurde in berufsbegleitende Maßnahmen. Marketingstrategien, Dokumentationen, Seminare, Artikel in Fachzeitschriften….

Hirn trickst Bauch aus und organisiert die Teilnahme an einem Schmuckkurs in der Schweiz – 1600 Meter über dem Vierwaldstätter See.

Bauch merkt noch nichts, weil Hirn das am PC regelt und Bauch dabei gemütlich im Chefsessel sitzt.

Bauch erschrickt sich nur fürchterlich, als es ans Kofferpacken geht – aber Hirn spricht ein Machtwort – „bezahlt ist bezahlt!“ und Bauch zieht sich schmollend zurück.

Schmuckkurs – der war einfach Spitze.

ABER….

Hirn guckt morgens aus dem Fenster auf eine filmreife Alpenkulisse, guckt noch einmal rund auf ein wunderbares Hüttenzimmer, stellt fest, daß eigentlich alles perfekt ist und funkt an Bauch „ Hey, geht es Dir gut? Ich höre nix!“

Bauch braucht ein bißchen und nörgelt dann „ was willste eigentlich? Das Programm ist doch ganz nett!“

Hirn ist irritiert und fragt: „Was für ein Programm?“

„Na,das ganze Panorama und so.“

Hirn stellft fest, daß Bauch absolut nichts mehr fühlt und Leben als Film empfindet, in dem er nicht einmal mitspielt, sondern nur zuschaut und ist sehr beunruhigt.

Hirn registriert Kuhglockengeläute, Sonnenaufgänge, Blumen im Kasten vor dem Fenster, nette Leute, lustige Abende, interessante Kurserlebnisse – Bauch zuckt mit den Schultern und meint nur „Sorry, geht an mir vorbei“.

Hirn macht sich langsam richtig Sorgen und fragt nach der Rückkehr einen sehr guten Freund, was es denn wohl mit diesen komischen „Nicht“-Gefühlen auf sich hat.

Der sehr gute Freund ist ein Krankenpfleger, und der lacht nur und sagt: hey, Du hast nen Depri!

Na Klasse.

Ich dachte immer, die Depris heulen nur….
Wobei Hirn aufmuckt und meint „ja – und wann hast Du das letzte Mal geheult?“

Oh.

Hirn stellt fest: Deine Emotionen sind im A….
Bauch hält sich raus aus der Diskussion.

Hirn befiehlt, jetzt einen Facharzt aufzusuchen –in diesem Falle einen Psychiater.
Bei Zahnschmerzen den Zahnarzt, beim Beinbruch den Chirurgen, bei Kopfmacke eben den Psychiater.
Wo ist das Problem?

Hirn hat sich ja auch schlau gelesen – Depri heißt nicht, daß Mensch „verrückt“ ist – ne, das kann man nachweisen – da gibt es Probleme mit dem Serotonin im Hirn (Hirn schämt sich etwas, zuckt dann aber mit den Schultern und meint „Shit happens“).

Um es abzukürzen –

Mensch hat tollen Psych-Doc gefunden und dann 6 Wochen in einer traumhaften Psychklinik am Bodensee verbracht. Und ist seiner Krankenkasse für die Kostenübernahme heute noch dankbar und den Therapeuten dort für ihre Arbeit natürlich auch.

Bauch freut sich wieder an Gefühlen, kann wieder richtig heulen oder auch einfach nur einen knospenden Kastanienbaum bestaunen und Hirn ist insofern einigermaßen zufrieden.

Ein Problem bleibt – Bauch reagiert nur auf Hirn. Oder auch nicht, oder auch nur teilweise.
Vielleicht täuscht Bauch auch nur – der Psych-Doc hat attestiert, daß der Depri im chronischen Übergang sei…. Das Teil heißt eigentlich "Burn out Syndrom" und ein Syndrom kann doch eigentlich nicht so was Schlimmes sein... eher ne Mode"Krankheit"....

Hirn sagt: guck mal, ist der kleine Vogel da im Maschendrahtzaun nicht toll? Das ist ein Zaunkönig – die sind scheu und jetzt sehen wir ihn!

Bauch antwortet: Oh ja, oh, wie schön – ich seh ihn und ich freue mich darüber!
Das war’s dann auch.

Aber immerhinque.

Ansonsten möchte Bauch seine Ruhe haben, möglichst nicht aus dem Haus gehen, findet das Internet toll (was hatte der Vater damals verkündet, als er in den 50ern den ersten Fernseher aufstellte: „Jetzt kommt die Welt ins Haus!“) – ha! Mit Internet kommt sie wirklich!!!!

Hirn ist ziemlich sauer auf Bauch.

Hirn hat so viele Ideen…. und Bauch rundet sich (in seinem Alter darf er das, sagt er) und bewegt sich nur notgedrungen.
„Antriebsarmut“ nennt man das.

Eine der Nöte ist das Alien, was so 3x täglich auf Schnupperkurs gehen will.

Eine weitere Not ist, daß Hirn so einige Dinge gespeichert hat, die früher richtig Spaß machten und für das Wohlbefinden wichtig waren – Freunde besuchen, Urlaub machen, Malen, Ideen haben….

Na ja, und so verhalten sich Hirn und Bauch wie ein altes Ehepaar und raufen sich Tag für Tag zusammen oder auch mal nicht und Mensch macht ein nettes Gesicht, denn das hat Mensch gelernt.

Wie gesagt, mir geht es gut.

Und ich bin meinem Hirn unendlich dankbar, daß es den coolen Durchblick behält.
Und den Bauch – nicht immer, aber immer öfter – austrickst.

Aber mein Bauch mag Farben.

Also gebe ich sie ihm.

2 Kommentare:

  1. hallo mo,

    bin so "rein zufällig auf deinem blog gestossen. beider suche nach blogs in niedersachsen. interesse weckten die begriffe "reburn und handarbeiten". und was finde ich? zwei post's über depressionen!

    sehr gut dargestellt - der kampf zwischen kopf und bauch - kann ich sehr gut nachempfinden.

    lg psychochicken

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  2. Ach ja - es nützt doch nix, sich auch noch darum nen Kopf zu machen - also wennschon, dennschon - ich liebe meine Macke nicht, aber icgh arrangiere mich mit ihr.

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Hier freue ich mich über Eure Kommentare...

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