Mittwoch, 29. Juni 2011

Leben, Nachbarschaft und ....

Von Zeit zu Zeit stelle ich fest, dass ich aber auch so fast alles im Leben zumindest einmal ausprobiert haben muss.
Und da dieses - zugegebenermaßen reichhaltige - Leben ja schon eine kleine Weile dauert, ist eigentlich anzunehmen, dass frau nun so das meiste hinter sich hat - manches Gottseidank, und vieles Schaaaadeeee!!!

Und gestern war wieder mal so ein "Gottseidank"-Tag.
Der fing ja schon mit dem Gejammere von wegen der lädierten Handflächen an und steigerte sich dann, als mich ein Telefonanruf aus dem hitzeerschöpften Mittagsschläfchen riss.

Mit 2 Fingern vorsichtig das Telefonteil haltend musste ich dann eine mir fremde, aber sehr besorgte und nette Frau beruhigen, die seit einigen Tagen vergeblich versuchte, Frau Nachbarin anzurufen, aber Frau Nachbarin ginge nicht ans Telefon...

Kein Problem, ich hab ja nen Schlüssel.
Frau Nachbarin kann den guten Gewissens rausgeben, da ihre Wohnung immer picobello aufgeräumt ist.
Nein, meinen Schlüssel bekommt keiner!

Also geklingelt - Nix.
schläft wohl auch und ist nicht so dusselig und lässt sich wachklingeln...

Frau XXX?
Huhu, ich bins!

Stille.
Ich biege nach rechts Richtung Schlafzimmer ab - Ne, nich?
Das jibbet doch nur im Film!!!!

Da liegt Frau Nachbarin vor ihrem Bett, der TV läuft leise, und sieht mausetot aus.
Und sie war es auch.
Und sicher schon etwas länger...

Also 110 angerufen (das ist in solchen Fällen zwingend notwendig, weil die Todesursache ja nicht feststeht und Hausärzte bekannterweise dann gerne "Herzversagen" attestieren - klar, das stimmt immer, denn so ein Herz hört zu schlagen auf, wenn man tot ist, egal, warum man tot ist).

Andere Telefonnummern hatte ich nicht, nur die ungefähre emailadresse der Enkelin, also sollten sich die Polizisten darum kümmern.

Jetzt kleben zwei gelbe Polizei-Siegel an der Wohnungtür, und der Rollator steht verlassen auf dem Flur. Den hätten sie ja nun wenigstens in die Wohnung stellen können - aber mit Pietät oder Zartgefühl haben es die Helfer wohl nicht so...

So irgendwie kommen die Einschüsse immer näher....
Sie war, glaube ich, ca. 8 Jahre älter als ich.

Das ist aber auch echt ein Problem von allein lebenden Menschen - wenn die keine ständigen Sozialkontakte haben, wer soll denn dann merken, wenn der Mensch sich verabschiedet hat? Frau Nachbarin war organisch völlig gesund und geistig auf der Höhe.
Ich kann also nur spekulieren, dass sich ein Thrombus (Blutgerinnsel) gelöst hat, denn sie bekam Marcumar (Blutverdünnungsmittel). Oder ihre Zeit war einfach um.

Nein, keine Sorge - ich bin jetzt nicht depressiv.
Ich denke einfach nur realistisch.
Wir sind hier alle untereinander gut nachbarschaftlich vernetzt, auch mit den Nachbarn aus den anliegenden Häusern.
Aber natürlich läutet man nicht gleich Alarm, nur weil man sich eine zeitlang nicht beim Einkaufen trifft.
Insofern habe ich eine unheimliche Hochachtung vor der Freundin von Frau Nachbarin, die sich Sorgen und Vorwürfe machte und mich dann angerufen hat.
Das ist für mich soziale Verantwortung.
Hätte sie das nicht gemacht...

Und so möchte ich Euch mit diesem Posting einfach mal daran erinnern, die Augen aufzuhalten und auch manchmal nur einem Bauchgefühl nachzugehen - lieber einmal zu viel als einmal zu wenig!

7 Kommentare:

  1. Liebe mo,
    traurige Geschichte, die tatsächlich zum Nachdenken anregt. Ich habe vor einiger Zeit von einer Aktion gelesen, bei der Alleinlebende sich einer Gemeinschaft anschließen, die eine Telefonkette bildet. Diese Idee find ich toll. Gibt es sowas auch in Hannover?

    LG, dieMia

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  2. Das klingt ja gruselig, aber es ist eben auch ein Teil des Lebens. Dein realitätssinn verblüfft mich dabei, ich tue mich mit solchen Gedanken aber schwer.

    Aber mal ehrlich, hätte nicht dir das auch auffallen müssen? Wenn du sogar einen Schlüssel hast? Das spricht doch für eine nähere Bekanntschaft zwischen euch?


    LG SHoushou

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  3. @ Shoushou
    keine Sorge - mein Realitätssinn ist berufsbedingt ;-)
    Und nein, ich hatte den Schlüssel nur, weil sie sich ab und an aussperrte - sie war ja auch nicht krank, einfach nur eine "ganz normale Nachbarin" mit ab und an einem kleinen Schwatz im Treppenhaus.

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  4. @ Mia
    wir haben hier einen "Funkfinger" - d.h. ein Telefon, bei dem man nur auf eine Taste drücken muss und dann auch frei sprechen kann - oder auch nicht - und dann kommen sofort Helfer von z.B. den Johannitern.
    Den wollte sie aber nicht, weil sie eben meinte, ihr könne ja nicht mehr passieren, als "nur mal hinzufallen".
    Einen sehr selbstbestimmten Menschen kannste nicht zwingen, solche Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.
    Ich hatte es ihr zwar mehrfach empfohlen,aber sie meinte, ihr Telefon würde reichen.

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  5. Okay das erklärt es besser, hättest du vielleicht gleich mit reinschreiben sollen, sorry, wenn ich dich beleidigt haben sollte, lag mir fern, ich war nur eben erstaunt, ich hab nämlich auch zwei Schlüssel, die meiner Freundinnen, weißt du und naja...ist auch egal, du weißt schon, was ich sagen will

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  6. @Shoushou
    keine Sorge, ich hab schon verstanden, wie Du das meintest ;-)

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  7. Liebe mo,
    wollte eigentlich nur selbst mal wieder ein Lebenszeichen von mir geben ....
    und dann lese ich Deine Geschichte ....!
    Wie traurig, ganz allein und unbemerkt ... ja Du hast Recht man sollte schon gucken, was um sich herum so passiert!
    Bei meiner Nachbarin und mir herrscht da auch Übereinstimmung, wenn wir uns einige Tage nicht sehen, wird geklingelt und einfach gefragt wie es geht. Zum Urlaub melden wir uns ab, allein schon deshalb weil wir gegenseitig die Katzen versorgen.
    Erhole Dich gut von diesem Schrecken und weiterhin gute Besserung!
    Alles Liebe
    Lilo

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